Unterscheidung: Spiritualität und Esoterik

Der Begriff "Spiritualität" (=Geist, Hauch, Atem) erfährt zur Zeit einen Bedeutungswandel. Ursprünglich im Christentum im Kontext der Klosterkultur geprägt ("franziskanische Spiritualität", "dominikanische Spiritualität") wurde in der zweiten Hälfte des 20. Jhd. Spiritualität oft mehr oder weniger mit "Esoterik" gleichgesetzt. Und in diesem Zusammenhang mit Unwissenschaftlichkeit, Gefühlsduselei, Egozentrik, Weltflucht oder Aberglaube usw. in Verbindung gebracht.

Doch der Begriff "Spiritualität" wird noch gebraucht. Immer mehr Menschen sagen von sich, sie seien "nicht religiös, aber spirituell" und meinen damit überhaupt nicht "esoterisch". Oder wissenschaftsfeindlich. Es ist mehr so eine Ahnung, dass es mehr im Leben gibt als Arbeit, Konkurrenz, Konsumieren. Das es etwas gibt, was einer inneren Kultivierung bedarf um es ins Leben zu bringen.

Auch in der Wissenschaft wird der Begriff Spiritualität weniger abgelehnt. Seit dem es immer mehr Forschungen gibt zum Thema Achtsamkeit und Meditation, von Psychologen, Neurobiologen usw., und Ärzte wie auch Psychotherapeuten Achtsamkeitsschulung und andere Meditationsformen, oder auch Yoga empfehlen und mit Klienten einüben, ist Spiritualität etwas geworden, mit dem man sich seriös beschäftigen kann.

Esoterik meint etwas ganz anders. Der Begriff "Esoterik" meint von seinem Ursprung her "Wissen, welches nur dem inneren Kreis zur Verfügung steht". (Was ja echt absurd ist, wenn es heutzutage Esoterik-Messen gibt). Ein wenig könnte man das mit spirituellem Wissen in Verbindung bringen. Die Erlebnisse in der meditativen Versenkung kann man ja auch nur schlecht in Worte fassen, die für Menschen fassbar sind, die noch nie aus dem Alltagsbewusstsein getreten sind. Und dann gibt es ja noch die non-dualen Traditionen - in der sich das spirituelle Leben dem alltäglichen Leben annähert - allerdings erst in der Endphase. (z.B Die Ochsenbilder im Zen: http://de.wikipedia.org/wiki/Der_Ochse_und_sein_Hirte ). Da ist es natürlich auch verlockend das Wissen der letzten Stufe "geheim" zu halten, damit niemand auf den Irrtum verfällt, dass ja dann die ganze spirituelle Entwicklung unnötig wäre.
So oder so, Esoterik wird heutzutage eher mit magischen Praktiken in Verbindung gebracht, die der Wahrsagerei dienen, oder der "Manipulation des Universums". Außerdem mit einer Glaubensdogmatik, die oft spirituell aussieht - aber bei genauer Betrachtung oft nur "Geplapper" ist, vor allem da kein Weg mit angegeben wird, das "Wissen" selbst zu lernen und zu überprüfen.

Ich will damit nicht sagen, dass Esoterik und Spiritualität sich zwingend ausschließt. Aber es sind zwei grundlegend unterschiedliche Dinge. Und solange man esoterische Praktiken wie Pendeln, Tarot-karten, oder Glaubenssätze wie "So wie unten, so auch oben" nicht für spirituelle Weisheit verkauft, habe ich auch kein Problem damit. Von Shakespeare´s Hamlet stammt das Zitat: "Es gibt mehr Ding’ im Himmel und auf Erden, als Eure Schulweisheit sich träumt" - und, da Wissenschaft auch Moden und Vorurteilen unterliegt, kann ich dem viel abgewinnen, aber das hat nichts mit Spiritualität zu tun. Spiritualität ist was sehr bodenständiges. Selbst wenn ich Erleuchtung anstrebe oder die Einheit mit Gott, und selbst, wenn die Methoden die ich nutze gefühlsstark und wild sind - so ist der Weg doch ein vernünftiger, der Wissenschaft und die Erfahrung anderer respektiert und nicht dagegen arbeitet.

Zum Schluss noch ein Scherz zur Unterscheidung von Esoterik und Spiritualität am Beispiel einer Parkplatzsuche in der Innenstadt:

Der Esoteriker visualisiert freie Parkplätze und hofft, dass das Universum seinen Wunsch erfüllt. Und sollte das nicht klappen war die Planetenkonstellation ungünstig.
Der spirituelle Mensch übt sich in Geduld und Akzeptanz, um seinen inneren Frieden zu behalten, egal ob er einen Parkplatz findet oder nicht.


Dazu verschiedene Literaturtipps:

Integrale Spiritualität von Ken Wilber
Psychotherapie und Spiritualität von Michael Utsch, Raphael M. Bonelli, Samuel Pfeifer
Spiritualität im 21. Jahrhundert von Katharina Ceming
Spiritualität transdisziplinär von Arndt Büssing, Niko Kohls
Spiritualität von Kindern und Jugendlichen: Allgemeine und psychotherapeutische Aspekte von Alexander von Gontard